Maria-Theresien-Straße

Stadtteil Zentrum

Maria-Thersien-Strasse  33-35

März 2010 © Thomas Kleissl

Maria-Theresien-Straße 33

In der Maria-Theresien-Straße 33 wohnten Ilse Adler und ihre Mutter Alice. Sie wurden in der Pogromnacht von einigen Männern aufgesucht, welche vergebens den Vater Wilhelm Adler  suchten und unverrichteter Dinge wieder verschwanden. Dieser befand sich zu diesem Zeitpunkt bei seiner Tochter Magda Schwarz in der Falkstraße 18. Magda´s Ehemann Richard Schwarz und ihr Sohn Viktor wurden dort misshandelt und gefangengenommen.

Auch die im gleichen Haus wohnende Ida Schwarz, ihre Tochter Martha Spindel und zwei Enkelkinder wurden Opfer der NS-Schergen.

Wilhelm und Alice Adler wurden im Dezember 1941 nach Riga deportiert und dort ermordet.
Ilse Adler war mit dem Dänen Andy Mikkelsen in England verheiratet und starb am 22. September 2002.

Ilse Adler, 1940 (a)

Vom 1. Jänner 2003 stammt der folgende Gästebucheintrag von Andy Mikkelsen:

„I appreciate this effort of the Innsbruck authorities. My wife Ilse, nee Adler died 22nd September 2002. I am sorry that she did not live to see this memorial to her family. Regards Andy Mikkelsen“


Kaufhaus Bauer & Schwarz
Josef Bauer & Sohn – Victor Schwarz & Co

Horst Schreiber - Bauer & Schwarz

Am 16. März 1908 eröffnet das Warenhaus Josef Bauer & Sohn – Victor Schwarz & Co in der Maria-Theresien-Straße 33-35 nach nur einjähriger Bauzeit ein für damalige Zeiten hypermodernes Kaufhaus. Das Gebäude wurde vom Architekten Matthias Wolff entworfen, Baumeister waren Rolle & Neffe, der Innenausbau nach Plänen von Wyterlick und Gruber von der Innsbrucker Gewerbeschule errichet. Entstanden ist ein Gebäude aus Stahlbeton, Gusseisen und Glas mit elektrischen Aufzügen, Zentralheizung und hausinternem Kraftwerk. Herzstück war neben einer 70 Meter langen, 30 Meter breiten und 5 Meter hohen Verkaufshalle eine über 28 Meter hohe glasüberdeckte dreistöckige Halle, in Summe 4.500 m2 Gesamtfläche und davon 2.000 m2 reine Verkaufsfläche plus 550 m2 Wohnfläche. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 1,25 Millionen Reichsmark, heute ca. 5,25 Millionen Euro.

Der 1815 in Burgenland geborene Josef Bauer gründet 1868 seine gleichnamige Firma und eröffnet ein Geschäft in der Wilhelm Greil Straße 2, Ecke Museumstraße 18. 1874 zieht die Firma Josef Bauer & Sohn in die Maria Theresien Strasse 31 ein. Im Mai 1902 kauf Louis Bauer, der Sohn von Josef Bauer, das Haus in der Maria Theresien Straße 33.

Victor Schwarz, geboren am 4. Mai 1855, stammt aus dem kroatischen Esseg/Osijek. 1885 heiratet er Rosa Bauer, die Tochter von Josef Bauer und eröffnet zusammen mit seinen Brüdern Alexander und Hugo in der Herzog Friedrich Straße 15, im Gebäude des Goldenen Dachls in der Altstadt ein Damen- und Herrenmodegeschäft. 1899 ziehen die Familien Schwarz in die Maria Theresien Straße 37 sowie Erlerstrasse 16 und eröffnen die Hauptniederlassung von Victor Schwarz & Co.

Warenhaus Bauer – Schwarz

Im Oktober 1906 kaufen die Brüder Viktor, Hugo und Alexander Schwarz sowie die Brüder Karl und Isidor Bauer das Gebäude in der Maria-Theresien-Straße 35. 1907 fusionieren die Firmen „Josef Bauer & Sohn und Victor Schwarz & Co“. In den ersten Jahren nach der Eröffnung floriert das Kaufhaus mit seinem unglaublichen Warensortiment und dem vielseitigen Wohlfühlangeboten wie Cafés, Leseecken und Friseursalons. Bis zu 200 Angestellte arbeiten im Warenhaus, das 1925 in „Warenhaus Bauer – Schwarz“ umbenannt wird. Der Erste Weltkrieg, die ab 1929 ausgebrochene Weltwirtschaftskrise, die rigorose Sparpolitik während der Zeit des Austrofaschismus und antisemtische Kampagnen machen dem Kaufhaus und den jüdischen Familien zu schaffen. Der frühe Tod der Gründungsväter und damit verbunden Unstimmigkeiten zwischen den Familien führen zu Rechtsstreitigkeiten und unternehmerischen Fehlentscheidungen.

Früher Antisemtismus

Die jüdischen Geschäftsleute waren von Beginn ihrer Tätigkeit in Innsbruck antisemitischen Kampagnen und Boykottaufrufen ausgesetzt, bei denen die lokale Presse (Der Scherer, Tiroler Post, Christlicher Mittelstand, u.a.) eine wichtige Rolle spielte. Aufgrund einer solchen Hetzkampagne kündigte die Stadt Innsbruck im Dezember 1902 den Mietvertrag von Victor Schwarz in der Altstadt. Ein auf Konkurrenzdenken, Neid und einem tief verankerten, erzkatholischen Mißtrauen gegenüber dem jüdischen Glauben beruhter Antisemitismus.

Nach dem Anschluss

Die Besitzerfamilien wollen das Warenhaus nach dem 70 jährigen Jubiliäumsfeiern verkaufen, doch bereits nach dem Anschluss wird dem Kaufhaus mit Robert Rom, dem ehemaligen Direktor der Länderbank ein kommissarischer Verwalter mit allen Vollmachten aufgezwungen. Die Eigentümer dürfen die Verkaufsräume nicht mehr betreten und alle jüdischen Angestellte werden entlassen. Vor dem Geschäft werden Posten aufgestellt, die mögliche KundInnen beim Betreten des Kaufhauses behindern sollen. Auf sämtliche Schaufenster jüdischer Geschäfte wird im April mit schwer zu entfernendem Ätzkalk das Wort „Jude“ geschmiert. Mitglieder der SA skandieren vor dem Geschäft Parolen wie „Wer beim Juden kauft, ist ein Volksverräter“. Innerhalb von 4 Monaten kommt es zu einem 72%igen Umsatzrückgang, mit 22. Juni veranlasst die NS Hago die Schließung des Kaufhauses und mit 9. Juli wird der Konkurs beantragt. Als Masseverwalter wird Dr. Rudolf Thelen eingesetzt.

Arisierung

Gauleiter Franz Hofer, der Arisierungsbeauftragte Hermann Duxneuner und die NS Hago unter Othmar Tschonerverhindern ein Angebot von Kaiser & Ganz mitsamt Übernahme des Inventars und des Warenlagers, welche von den Familien Bauer und Schwarz akzeptiert worden wäre. Hofer treibt den Verkauf der Liegenschaften in der Maria Theresien Straße in arischen Besitz auch mithilfe der Sparkasse der Stadt Innsbruck voran, die einen Kredit fällig stellt. Schlußendlich kauft im Oktober 1938 Ferdinand Kraus, ein „Günstling Hofers“ (Zitat Horst Schreiber) das Haus, Lager und Inventar um 575.000 Reichsmark. Für die Besitzerfamilien Bauer und Schwarz bedeutet das eine massive Enteignung und einen großen Vermögensverlust, zumal allein der Wert des Gebäudes zuvor über eine Million Reichsmark geschätzt wurde.

Am 3. November 1938 wird das ehemalige Kaufhaus Bauer & Schwarz als „Kaufhaus F. Kraus & Co“ eröffnet. Am 15. Dezember 1943 wird das Kaufhaus durch ein Bombenangriff stark beschädigt.

Restitution

Nach dem Krieg kommt es zu einem 12 Jahre andauernden Restitutionsverfahren, an dessen Ende 1959 ein Vergleich erzielt wird. Ferdinand und Maria Kraus leisten Vergleichszahlungen in der Höhe von 1,32 Millionen Schilling und bekommen dafür die Besitzrechte des Kaufhauses zugesprochen. Die Familienmitglieder Bauer und Schwarz müssen damit ihre Anwaltskosten bezahlen und den Betrag auf die fünf GesellschafterInnen aufteilen. Für Paula Bauer, Ehefrau von Isidor Bauer, kommt die finanzielle Hilfe zu spät. Sie stirbt am 10. August 1957 mittellos 80jährig in Israel. Eine vom Hilfsfonds für NS-Opfer zuerkannte Unterstützung wird den Erben von Paula Bauer verweigert.

Das Ehepaar Kraus verkauft 1964 das Kaufhaus in der Maria Theresien Straße 33-35 und Erlerstraße 14 ohne Warenlager um 27,5 Millionen Schilling an die WIG, Warenhaus-Immobilien-Gesellschaft m.b.H in Wien.

Kaufhaus Tyrol

Am 25. März 1966 wird die Eröffnung des „Kaufhaus Tyrol“ nach einem Umbau von Fred Achammer mit einem Tagesfeuerwerk groß gefeiert. Die Besitzverhältnisse wechseln bis 2004 mehrmals, dann erwirbt der Immobilien-Investor René Benko die Gebäude Maria-Theresien-Straße 29, 31 und 33-35 sowie Erlerstaße 12, 16 und 18. Nach einem Architekturwettbewerb entfacht eine heftige Diskussion um die Fassadengestaltung der Maria-Theresien-Straße. Der Vorschlag von David Chipperfield findet einen Kompromiss. Die Bauarbeiten dauern von Mai 2007 bis März 2010.

Am 4. März 2010 wird das neue „Kaufhaus Tyrol“ eröffnet. Im Rahmen des Eröffnungstages wurde ein Demonstrant, welcher auf die jüdische Vergangenheit des Hauses mit Schildern aufmerksam machte, von der Polizei gewaltsam entfernt und wegen „Ordnungsstörung, Lärmerregung und Anstandsverletzung“ angezeigt. (1, 2)

Gedenktafel

Am 22. Juli 2010 wurde im Eingangsbereich des „Kaufhaus Tyrol“ eine Gedenktafel enthüllt. Neben der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg Dr. Esther Fritsch und Signa Holding Chef René Benko sprachen die Innsbrucker Bürgermeisterin Mag.a Christine Oppitz-Plörer sowie Landtagspräsident DDr. Herwig van Staa, die Festrede hielt der Historiker Dr. Horst Schreiber. Aufgrund der Installation eines Bankomates wurde die Informationstafel in den nördlichen Eingangsbereich verlegt, während die Gedenktafel noch an ihrem ursprünglichen Ort hängt. (3, 4)

Kurzer Filmbeitrag (4:55) der Tiroler Tageszeitung TT.com zur Geschichte des Kaufhaus Tyrol – Redebeiträge von Dr. Esther Fritsch, Dr. Horst Schreiber und René Benko – 22. Juli 2010 (5)


update 27.10.2018

Hinweis:

Die Informationen über die Geschichte des Kaufhauses Bauer & Schwarz stammen alle aus dem Buch von Horst Schreiber (Hg.) „Von Bauer & Schwarz zum Kaufhaus Tyrol“, das 2010 im StudienVerlag erschienen ist.

Literatur:

Christoph W. Bauer < "Die Blumen, die Liebe, das Schöne - Mit Judith Shomroni in Givat Shapiro" > in: Die zweite Fremde – Zehn jüdische Lebensbilder, Haymon Verlag Innsbruck-Wien 2013, S 82-100

Gad Hugo Sella < Die Juden Tirols - Ihr Leben und Schicksal > Israel 1979

Horst Schreiber < "Das Warenhaus Bauer & Schwarz und seine Gründer 1867-1964" > in: Horst Schreiber (Hg.), Von Bauer & Schwarz zum Kaufhaus Tyrol, StudienVerlag 2010, S 15-150

Horst Schreiber < "Mit Innsbruck gewachsen - mit Innsbruck verwachsen." Das Kaufhaus Bauer & Schwarz und seine Gründerfamilien > in: Thomas Albrich (Hg.), Von Salomon Sulzer bis „Bauer & Schwarz“ – Jüdische Vorreiter der Moderne in Tirol und Vorarlberg, Haymon Verlag 2009, S 325 – 357

Andrea Sommerauer / Hannes Schlosser <  "Das Kaufhaus Tyrol - ein Mythos" > in: Horst Schreiber (Hg.), Von Bauer & Schwarz zum Kaufhaus Tyrol, StudienVerlag 2010, S 153-224

Bildnachweis:

(a) Privatbesitz © Andy und Peter Mikkelsen

Quellen:

Andy und Peter Mikkelsen – Emails, Gästebuch

(1) http://www.imzoom.info/article.php/20100304234245975 – Visit 27.03.2010

(2) http://www.tt.com/csp/cms/sites/tt/%C3%9Cberblick/Chronik/ChronikTirol/ChronikTirolContainer/382356-8/ungl%C3%BCckliche-festnahme.csp – Visit 27.03.2010

(3) http://www.tt.com/csp/cms/sites/tt/Tirol/1033903-2/das-kaufhaus-tyrol-gedenkt-seiner-geschichte.csp – Visit 21.08.2010

(4) http://www.facebook.com/pages/Innsbruck-Austria/Kaufhaus-Tyrol/282690226264 – Visit 21.08.2010

(5) Video Gedenktafelenthüllung Kaufhaus Tyrol – http://www.youtube.com/watch?v=pPoAIGXd834 – Visit 07.10.2013

Pin It on Pinterest